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Biokunststoffe im Abfallstrom

Seit Jahren steigt die Anzahl und Vielfalt der Produkte aus biobasierten Kunststoffen insbesondere im Bereich der Verpackungen kontinuierlich an. Polylactid (PLA) ist derzeit der wichtigste Vertreter auf dem Verpackungsmarkt, aber da viele Konzepte PLA als Verbundwerkstoff oder im Blend einsetzen, ist das Recycling von PLA-haltigen Abfällen mit den konventionellen Verfahren (z.B. Regranulierung) schwierig, wenn nicht unmöglich.

Der Hinweis deutscher Verbraucherverbände „Da Biokunststoffe derzeit nicht stofflich wiederverwertet werden können und das Recycling anderer Kunststoffe behindern, gehören sie nicht in den gelben Sack oder die Wertstofftonne. Das Umweltbundesamt empfiehlt derzeit die Entsorgung über den Restmüll. Dann können sie zumindest thermisch verwertet werden3)“ beschreibt das Dilemma sehr deutlich. Und obwohl der Begriff "Bio" generell positiv besetzt ist, äußerte die Entsorgungsbranche immer wieder Bedenken, dass PLA das etablierte Kunststoffrecycling stören könnte .

Daher war das Ziel des im November 2014 gestarteten Forschungsprojektes „SustRecPLA“, gefördert von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die Gewinnung reiner und hochwertiger PLA-Rezyklate aus post-consumer Abfällen.

Im Rahmen dieses Projektes mit 8 Verbundpartnern einschließlich dem Fraunhofer IVV wurde zum einen der physikalische lösemittelbasierte CreaSolv® Prozess für ausgewählte PLA Abfälle1) optimiert und zum anderen hinsichtlich Rezyklat-Qualität und Wirtschaftlichkeit mit dem mechanischen Recycling (Recompoundierung) verglichen.

2017 SustRecPLA Partner DEDas untersuchte PLA stammte aus Industrie- und Verbraucher-Abfällen und mit dem CreaSolv® Verfahren konnten gereinigte Rezyklate produziert werden2)

  • aus heterogenen Abfallgemischen mit Verunreinigungen von zirka 30%.
  • Spritzgussversuche zeigt keine signifikanten Unterschiede zu Neuware.
  • wesentlicher Vorteil gegenüber mechanischem Recycling: zirka 50% höhere Ausbeuten (Mechanisches toleriert Verunreinigungen bis 5%).

Mechanisches und lösemittel-basiertes Recycling basieren auf physikalischen Prozessen, wobei die Polymerstruktur erhalten bleibt und man den Werkstoff Polymer wiederverwenden kann. Beide Verfahren werden darum dem werkstofflichen Recycling (Synonym: Physikalisches Recycling) zugeordnet. Während mechanisches Recycling Mono-Polymerströme braucht, kann der CreaSolv® Prozess auch Verbundwerkstoffe (z.B. Multilayer Packaging) verarbeiten und eingeschlossene Additive und toxische Verunreinigungen ausschleusen.

Die Verbundpartner konnten mit ihren umfassenden Arbeiten zeigen, dass es verschiedene Optionen für ein PLA-Recycling gibt. Die Forschungsergebnisse liefern somit eine gute Grundlage für die Einbindung von PLA-Abfällen in die etablierten Recyclingströme und kommen damit zum richtigen Zeitpunkt, denn am 1. Januar 2019 tritt die Neuregelung des Verpackungsgesetzes in Kraft.

 

Ökobilanz

Der SustRecPLA-Projektpartner Fraunhofer Umsicht hat eine Umweltbewertung des mechanischen, lösemittelbasierten (CreaSolv® Prozess) und chemischen Recyclings von PLA entwickelt und 2019 veröffentlicht - Life Cycle Assessment of Recycling Options for Polylactic Acid9).

Das Recycling von PLA-Abfällen wird mit der thermischen Behandlung verglichen, da ein Vergleich der verschiedenen Recyclingoptionen aufgrund der unterschiedlichen Qualitäten der Abfallströme und der Produkte nicht möglich ist. Durch den Ersatz von PLA-Neuware durch PLA-Rezyklate werden Umweltvorteile erzielt.

2019 SustRecPLA LCA 1In dieser Studie wurde der gesamte Weg der PLA-Abfälle von der Abfallquelle über die Sammlung, die Sortierung und den Transport bis hin zum Recycling oder zur energetischen Verwertung betrachtet.
Mechanisches Recycling wird für post-industrielle und post-consumer PLA-Abfälle untersucht.
Das lösemittelbasierte Recycling (CreaSolv® Prozess) und das chemische Recycling wurden nur für PLA aus Post-Consumer-Abfällen untersucht.

Der CreaSolv® Prozess (Szenario 4) ist besonders geeignet, um aus kontaminierten PLA-Abfällen PLA-Recyclat herzustellen.
Im Falle des lösemittelbasierten Recyclings (Szenario 4) werden insgesamt 521 kg CO2-Äq./FU emittiert. 50 % dieser GHG-Emissionen (Treibhausgase) sind mit der Trennung und Trocknung von PLA verbunden. Etwa 30 % resultieren aus der Erstbehandlung, die der Sammlung und Sortierung von post-consumer Abfall vorausgeht. Die verbleibenden 20 % stammen aus dem Extrusionsprozess. Durch die Substitution von neuem PLA wird jedoch eine Gutschrift von 2040 kg CO2-Äq. berechnet, was zu potenziell eingesparten GHG-Emissionen von 1519 kg CO2-Äq./FU führt.

2019 SustRecPLA LCA 2Beim Vergleich aller drei Recyclingverfahren zeigt die Ökobilanz, dass die CO2-Emissionen beim mechanischen Recycling um 60 %, beim lösemittelbasierten Recycling (CreaSolv® Prozess) um 49 % und beim chemischen Recycling von PLA-Abfällen um 36 % niedriger sind als bei der Abfallverbrennung.

 

Welchen Vorteil bieten Bio-Kunststoffe eigentlich?

Nach gegenwärtigem Sprachgebrauch steht die Vorsilbe „bio“ für zwei Eigenschaften: für „biobasiert“ und für „biologisch abbaubar“. Biobasiert nennen sich Erzeugnisse, die teilweise oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. Diese Erzeugnisse können sowohl biologisch abbaubar als auch nicht abbaubar sein.

2018 ZAKB Bergstraße Bioabfall mit Störstoffen 1

Nach DIN EN 13432 bedeutet Bioabbaubarkeit, dass sich ein Material nach einer festgeschriebenen Zeit unter definierten Temperatur-, Sauerstoff- und Feuchtebedingungen in der Anwesenheit von Mikroorganismen oder Pilzen zu mehr als 90 Prozent zu Wasser, Kohlendioxid (CO2) und Biomasse abgebaut haben muss4).

Polylactid (PLA) ist ein aus Milchsäuremolekülen aufgebauter Polyester. Die Herstellung der für die Polymerisation benötigte Milchsäure erfolgt hauptsächlich über eine Fermentation von Kohlenhydraten (Zucker, Stärke) aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zuckerrohr oder Mais.
Unter feuchten und warmen Bedingungen kann Polymilchsäure hydrolysiert werden. Die dabei entstehende Milchsäure kann von Bakterien und Pilzen als Nahrung genutzt werden.
Hierbei handelt es sich um eine chemische Rohstoff-Rückgewinnung (Solvolyse), wobei das Polymer wieder in seine Monomere aufgebrochen wird. Eine Kompostierung bleibt allerdings problematisch.

Für biobasierte Kunststoffe braucht man natürlich Anbauflächen, die bei einer steigenden Weltbevölkerung und deren Nahrungsbedarf knapper werden und biologisch abbaubare Kunststoffe verrotten zu Wasser und dem Treibhausgas CO2, das zur Erderwärmung beiträgt. Es entsteht also genau dasselbe wie bei einer Verbrennung. Selbst das deutsche Umweltbundesamt spricht darum von einer "Mogelpackung" und empfiehlt zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Müllverbrennung, da hier wenigstens noch eine energetische Verwertung stattfindet5,6). Auf Grund von Problemen bei der Kompostierung lehnen Kommunen in Deutschland die Entsorgung von Bioplastik über den Bioabfall in der Regel ab7). Eine aktuelle Studie der Universität Bonn kommt zu dem Schluß, daß ein vermehrter Einsatz von Biokunststoffen zu Verlusten an Waldflächen und einem höheren Ausstoß an Treibhausgasen führt8).

2018.12 Bioplastic Loss of Forrest 

Fazit

Bio-Kunststoffe klingen „nachhaltig“, werden aber von Behörden und Umweltverbänden als Problem gesehen. Mit dem CreaSolv® Prozeß kann und sollte man allerdings auch diese Kunststoffe, genauso wie andere Thermoplasten recyceln, so daß sie wiederverwendet werden können und als Ressource mit hohem Energieinhalt in einer Kreislauf-Wirtschaft nicht verloren gehen.

 

 

Literatur

  1. Kunststoffe 7/2013 – Tanja Siebert, Martin Schlummer, Andreas Mäurer „Bioverpackungen wiederverwerten“ in Kunststoffe 7/2013 Seite 79 – 82 - Link
  2. Ergebnispapier „PLA-Abfälle im Abfallstrom“ - FNR Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlicht am 12. Oktober 2017 - Link
  3. Verbraucher Service Bayern „Biokunststoffe nicht automatisch gut“ vom 23.06.2016 – Link
  4. Umweltbundesamt  im August 2009 „Biologisch abbaubare Kunststoff“ – Link
  5. Umweltbundesamt am 8.Juni 2017 „Tüten aus Bioplastik sind keine Alternative“ Homepage letzter Check 31 Oktober 2018 – Link
  6. Deutsche Umwelthilfe (DUH) „Bioplastik – Mythen und Fakten“ Stand 20.02.2018 – Link
  7. BVSE - Fachverband Kunststoffrecycling "Bioplastik bereitet in Kompostwerken große Probleme" vom 21. September 2018 - nicht mehr verfügbar
  8. University of Bonn. "More bioplastics do not necessarily contribute to climate change mitigation: Potential implications of transitioning to plant-based plastics." ScienceDaily. ScienceDaily, 7 December 2018. - Link
  9. “Life cycle assessment of recycling options for polylactic acid”, D. Maga, M. Hiebel, N. Thonemann in Resources, Conservation and Recycling, Volume 149, October 2019, Pages 86-96 – Link